10. Januar 2019

„Wir brauchen das 365-Euro-Jahresticket““

 

Interview Bürgermeister Gruchmann mit Stadtspiegel

Großes Stadtspiegel-Interview mit dem Garchinger Bürgermeister Dietmar Gruchmann

Es ist gute Tradition, dass der Garchinger Stadtspiegel zum Jahreswechsel Bürgermeister Dietmar Gruchmann besucht, um über die Stadt und ihre Zukunft zu sprechen. In dem Interview von Gabi Cygan und Nico Bauer mit dem Bürgermeister wurde klar, dass es auch 2019 in Garching nicht langweilig wird.

 

 

Herr Gruchmann, war 2018 ein gutes Jahr?
Gruchmann: „Selbstverständlich. Wir haben ein paar gute Dinge auf den Weg gebracht.“

Garching hat sich finanziell stabilisiert. Tritt die Stadt jetzt in den Kreis der ganz Großen ein im Landkreis München?
Gruchmann: „Nein, das tun wir nicht. Wir können keine Millionen auf dem Konto horten. Wir haben viele freiwillige Leistungen zu bestreiten und können uns diese auch leisten ohne uns zu verschulden. Wir sind gesundes Mittelmaß und sind zufrieden. Unser realistisch-sparsamer Stadtkämmerer hat dennoch sogar wieder freiwillig einen neuen Umsatz-Rekordhaushalt mitgetragen.“

Für mehr als Mittelmaß müsste die Wirtschaft wachsen. Der Business Campus würde gerne wachsen. Wie stehen Sie als Bürgermeister dazu?
Gruchmann: „Wir müssen zuerst auf die Verkehrsbelastungen schauen und Lösungen suchen. Wenn wir da Lösungen haben, können wir an die zusätzliche Ausweisung von Gewerbeflächen oder die vehemente Nachverdichtung im bestehenden Gewerbegebiet denken. Derzeit würden wir uns keinen Gefallen tun, wenn wir noch einmal 10.000 Arbeitsplätze hierher holen. Es macht jetzt schon keinen Spaß mehr, sich nach Ismaning oder nach Oberschleißheim bewegen zu müssen, geschweige denn über die Autobahn in den Münchner Süden. Es geht gar nichts mehr. Deshalb war ich auch einer der Rädelsführer bei der MVV-Tarifreform. Wir haben den Freistaat Bayern wachgerüttelt und gesagt, dass er sich mit einbringen muss. Der Freistaat gibt nun zum ersten Mal Finanzmittel dazu, um die Preise im öffentlichen Personen-Nahverkehr günstig zu gestalten. 50 Millionen Euro klingt viel, ist aber nicht mehr als der Tropfen auf dem heißen Stein. Wir brauchen das 365-Euro-Jahresticket. Auch wenn bei den Nachverhandlungen der Tarifreform für Garching nichts herausgesprungen ist, muss es das Ziel bleiben, die Leute vom Auto in die öffentlichen Verkehrsmittel zu locken. Und das funktioniert nur mit günstigen Preisen. Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit dem Ismaninger Bürgermeister Greulich und Vertretern seines Bauamtes für eine gemeinsame Strategie beim Ausbau der Bundesstraße B471 und seiner Knotenpunkte. Auch das muss jetzt passieren und nicht erst in zehn Jahren. Wir stehen da jeden Tag im Stau. Wir Garchinger sind dem vierspurigen Ausbau gegenüber nicht aufgeschlossen, aber der Ausbau der Kreuzung B471/St2350 muss kommen. Wir wären allerdings einer zusätzlichen dritten Spur auf der B471 gegenüber offen, wenn das eine reine Busspur wird. Es würde dann sogar Sinn machen, eine solche Busspur über die alte B471 direkt nach Garching zu leiten. Für mich steht aber fest: Es wird nur etwas vorangehen, wenn wir die Initiative ergreifen und das verantwortliche staatliche Straßenbauamt zum Handeln auffordern.“

Wie stark bemüht sich denn unser Nachbar Ismaning?
Gruchmann: „Die können sich nur noch Richtung Nordosten weiterentwickeln, während wir eigentlich nach Süden nicht weiterwachsen wollen. Die Ismaninger werden schon Baurecht für ihre Wohngebiete schaffen, damit das Straßenbauamt bei Lärmschutzmaßnahmen in der Pflicht ist.“

Und für das angesprochene 365-Euro-Ticket braucht unsere U-Bahn den Fünf-Minuten-Takt?
Gruchmann: „Der ist uns ja schon versprochen worden für Dezember 2019. Die Züge sind angeblich schon da und warten nur auf die Zulassung. Ich bin zuversichtlich, dass der Takt wie geplant umgesetzt wird. Die U-Bahn kann eine Takterhöhung verkraften, das Netz der S-Bahn nicht. Garching hat seine Hausaufgaben gemacht.“

Garching ist ein Verlierer der MVV-Reform. Wie ärgerlich ist es, dass die Forschungsinstitute in der Zone M+2 sind und nicht wie alles andere im Landkreis maximal M+1?
Gruchmann: „Das ist eine absolute Enttäuschung. Leider wurde hier kommunalpolitisch entschieden und nicht landespolitisch.“

Kann man an der Einstufung noch etwas ändern?
Gruchmann: „Für 2019 ist der Zug leider abgefahren. Garching hat das Defizit, dass ich nicht im Kreistag sitze. Die Kommunen mit Bürgermeistern im Kreistag bekommen die Informationen früher. Ich wurde in den Prozess erst eingebunden, als der Landrat das Ergebnis der Verhandlungen erklärt hat. Da war das Kind schon in den Brunnen gefallen.“

Tut sich was mit der Verlängerung der U6?
Gruchmann: „Da sieht es sehr gut aus, weil wir da ein landkreisübergreifendes Bündnis haben. Wir hatten einen großen Tag mit allen Beteiligten wie der Stadt München, den Bürgermeistern, der TU München oder dem Flughafen. Der Planungsverband hat sich gleich zu Beginn eher skeptisch geäußert, aber da habe ich sofort das Wort ergriffen: Ich erwarte hier von allen Unterstützern mehr Mut! Unser Altbürgermeister Helmut Karl hatte damals auch Mut, Zuversicht und die Bereitschaft, die U-Bahn nach Garching mitzufinanzieren. Die Stadt Garching muss daher auch 2019 noch 2,3 Millionen Euro aus der eigenen Tasche bezahlen für die Erneuerung der Weichen, weil wir Eigentümer des Streckennetzes sind. Hier werde ich zeitnah wohl nochmal mit dem Freistaat nachverhandeln, weil ich die Millionen gerne für andere Projekte nutzen würde.“

Die Strecke nach Eching oder Neufahrn…
Gruchmann: „…wird kommen!“

Aber Garching muss nichts mehr dafür bezahlen?
Gruchmann: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben den Endbahnhof am Forschungscampus so gebaut, dass die Verlängerung direkt angeschlossen werden kann. Jetzt geht es darum, ob Eching, Neufahrn oder vielleicht sogar Hallbergmoos die effektivste Verlängerungsvariante ist.“

Welche ist denn die effektivste?
Gruchmann: „Die wirtschaftlichste Variante wird die nach Neufahrn sein.“

Seien Sie doch einmal Visionär und sagen uns, wann wir mit dem Zug von Garching nach Neufahrn fahren?
Gruchmann: „Ich bin Realist und sage 2028. Bis dahin muss geplant und die Grundstücke erworben werden.“

Der Forschungscampus wächst und wächst. Mit der Supernova am jetzt noch einmal ein richtiger Magnet dazu. Welche Auswirkungen hat denn die Stadt vor der Stadt für Garching?
Gruchmann: „Nur positive. Es ist gut für das Renommee und durch die Elektrotechnik kommen bald noch einmal 4.000 Studenten dazu. Wir erarbeiten mit der Gemeinde Eching ein Konzept für die Ortsumfahrung Dietersheim. Die verlagerte St2350 (B11) würde dann näher an der Autobahn verlaufen, quasi direkt zur Autobahnauffahrt Garching-Nord. Das würde dann auch die Erschließung des Forschungscampus verändern. Dieser hätte dann noch Erweiterungsoptionen nach Westen, was ich nicht negativ sehe. Da wird sich noch viel tun, weil in München der Platz ausgeht.“

Ist das dann auch ein Ansatz gegen den Verkehrskollaps in Garching? Wenn auf der A9 Stau ist, geht in Garching gar nichts mehr.
Gruchmann: „Das ist unsere Hoffnung. Wir wollen den übergeordneten Verkehr an Garching vorbeileiten.“

Sind Sie enttäuscht, dass die Rückstufung der Garchinger Ortsdurchfahrt von der Bundes- zur Staatsstraße wenig bis gar nichts gebracht hat?
Gruchmann: „Ich habe nichts anderes erwartet. Wirkliche Maßnahmen können wir erst ergreifen, wenn die Straße zur Gemeindestraße wird und in unser Eigentum übergeht. Wir wären zur Übernahme bereit, das Straßenbauamt aber leider noch nicht. Die brauchen erst eine andere Umfahrung.“

Wäre das mit der Dietersheim- Umfahrung gegeben?
Gruchmann: „Ich denke ja. Und dann hoffe ich, dass die Kreuzung im Süden von Garching mit einer Über- oder Unterführung ausgebaut wird. Es gäbe sinnvolle Varianten dafür.“

Aber kommen wir noch einmal zum Forschungscampus zurück. Dort könnte die Stadt auch einmal Geld verdienen, wenn irgendwann die Neue Mitte Galileo eröffnet wird. Hat die Stadt Informationen, ob Galileo vor dem Berliner Flughafen startet?
Gruchmann: (lacht) „Gute Frage. Mein letzter Informationsstand ist Mai 2019. Es werden keine Garchinger zum Einkaufen dorthin fahren, aber für die 25.000 Menschen auf dem Campus wäre das eine Verbesserung. Langfristig soll dort ja ein studentischer Campus entstehen und da ist die Infrastruktur dringend notwendig.“

Garching hat auch eine spannende Baustelle mit dem Bürgerhaus. Wann erleben wir da wieder Kultur?
Gruchmann: „Ab Mai. Der Saal ist dann fertig. Die zusätzlichen Räumlichkeiten wie Vereinsräume oder Restaurant könnten später fertig werden.“

Wann kann die Baustelle final abgeschlossen werden?
Gruchmann: „Im Sommer ist sicher alles fertig.“

Und das Restaurant wird ein Wiener Kaffeehaus?
Gruchmann: „Das ist das Ziel, auch wenn die Verträge noch nicht unterschrieben sind. Wir sind in der absoluten Endphase vor der Vertragsunterschrift.“

Welche Baustellen halten Garching 2019 noch auf Trab?
Gruchmann: „Ich hoffe, dass wir die Grundschule Nord weiter voranbringen. Wenn das Kinderhaus Untere Straßäcker im Frühjahr eingeweiht ist, werden wir gleich das nächste Kinderhaus planen.“

Wo?
Gruchmann: „Es gibt da ein paar Optionen. Eine ist das Neubaugebiet am Hüterweg. Das wäre auch nicht weit von der Grundschule Ost entfernt. Außerdem wird uns die Ganztagesbetreuung der Grundschulen auf Trab halten. Immer mehr Eltern brauchen diese Betreuung.“

Und nun der Klassiker zum Abschluss. Der Bürgermeister hat drei Wünsche frei…
Gruchmann: „Ich wünsche mir Gesundheit für mich, mein Lebensumfeld und für alle Garchinger Bürgerinnen und Bürger. Das ist das Allerwichtigste. Dann bleibe ich bei meiner Vision von der Autobahn im Tunnel. Und zuletzt wünsche ich mir einen kompromissbereiten Stadtrat, der auch ein Jahr vor der Kommunalwahl die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Auge hat und nicht nur den Wahlkampf.“

Vielen Dank für dieses Gespräch.
Gabi Cygan und Nico Bauer